"Aktion T4"
Die „Euthanasie“-Anstalt
Bernburg 1940-1943
Ein Teil der ehemaligen Landes-Heil- und Pflegeanstalt Bernburg war
von 1940 bis 1941 eine der sechs zentralen „Euthanasie-Anstalten
im Dritten Reich, in denen insgesamt mehr als 70.000 kranke und behinderte
Menschen durch Gas ermordet wurden.
Die Täter waren Ärzte, Juristen, Pflegepersonal und Verwaltungsangestellte,
die Opfer psychisch Kranke und geistig Behinderte, Alte und Sieche,
Fürsorgezöglinge, Zwangsarbeiter und Wehrmachtsangehörige.
Als einzige der sechs „Euthanasie-Anstalten in Brandenburg, Bernburg,
Grafeneck, Hadamar, Hartheim und Sonnenstein/Pirna wies die Einrichtung
in Bernburg eine Besonderheit auf, die das Grundprinzip der Psychiatrie
in der Zeit des Nationalsozialismus auf engstem Raum widerspiegelte:
Heilen der Heilbaren und Vernichten der Unheilbaren.
Die Landes-Heil- und Pflegeanstalt Bernburg war keine reine „Euthanasie“-Anstalt,
sondern wurde von 1940 bis 1943 in zwei Einrichtungen geteilt: in die
Anhaltische Nervenklinik, in der weiter therapiert wurde, und in die
Heil- und Pflegeanstalt, in der getötet wurde.
Der Mord an kranken und behinderten Menschen begann in Bernburg im Herbst
1940. Bereits im Oktober kam das Vorauskommando aus der „Euthanasie“-Anstalt
Brandenburg bei Berlin, das im ehemaligen Männerhaus II eine als
Duschraum getarnte Gaskammer, einen Sektionsraum und ein Krematorium
installierte. Am 21. November 1940 traf der erste Transport mit 25 Patienten
aus der Brandenburgischen Landesanstalt Neuruppin ein. Bis zum 24. August
1941 waren es 9.384 Kranke und Behinderte, die aus verschiedenen psychiatrischen
Einrichtungen Nord- und Mitteldeutschlands nach Bernburg gebracht und
ermordet wurden.
Im Rahmen der „Sonderbehandlung 14 f 13“ starben arbeitsunfähige
oder als Juden verfolgte KZ-Häftlinge in den Gaskammern, allein
in Bernburg bis zum März 1943 etwa 5.000 fast ausschließlich
jüdische Häftlinge aus den Konzentrationslagern Buchenwald,
Flossenbürg, Groß-Rosen, Neuengamme, Ravensbrück und
Sachsenhausen.
Am Beispiel Bernburgs wird besonders deutlich, dass die „Euthanasie“-Anstalten
eine Schlüsselstellung für den industriell organisierten Massenmord
in der Zeit des Nationalsozialismus einnahmen. Das betrifft zum einen
die Entwicklung der Technologie des Tötens durch Gas, zum anderen
den Übergang von der „Euthanasie“ zum Holocaust durch
die Versetzung des Krankenmord-Personals in die Vernichtungslager Treblinka,
Sobibor und Belzec auf okkupiertem polnischen Gebiet und die gleichzeitige
Ermordung jüdischer Häftlinge in „Euthanasie“-Anstalten.
Im Frühjahr 1943 wurde die „Euthanasie“-Anstalt Bernburg
aufgelöst. Einige bauliche Spuren wie die Sektionstische wurden
zum Teil erst nach Kriegsende beseitigt, andere Reste der Vernichtungsanlage
- darunter die Gaskammer - blieben bis in die Gegenwart erhalten.
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